Scharniere reparieren

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Version vom 10. April 2014, 13:43 Uhr von Thomebau (Diskussion | Beiträge)
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Reparierbare Scharniere

bisher auf ihre Reparierbarkeit hin getestete Scharniere: reparierbar:

  • T4x
  • R4x
  • T60
  • R60

nicht zu reparieren:

  • T400

Grundlegender Aufbau von Scharnieren an Thinkpads

Im Grunde genommen sind alle Scharniere die ich bisher in den Fingern hatte (bei Thinkpads) aus den gleichen funktionalen Bauteilen aufgebaut (Modell bewusst stark vereinfacht):

  1. untere Aufnahme (blau)
  2. einseitig abgeflachte Welle (rot)
  3. obere Aufnahme mit Reibungserzeuger (grün)

Wie entsteht nun Spiel in den Scharnieren?

Relevant für unsere Unternehmung sind dabei nur die Welle und die untere Aufnahme. Diese beiden werden durch einpressen der geriffelten Welle in die untere Aufnahme miteinander verbunden. Und genau dies ist der Knackpunkt an dem nach etlichen hundert Belastungswechseln das Spiel entsteht, denn hierbei handelt es sich nicht um eine formschlüssige Verbindung, sondern die Hauptlast liegt auf der Rändelung der Welle und wenn diese sich abnutzt entsteht Spiel dass dann rasch immer größer wird.


Video zur Veranschaulichung des Spiels in den Scharnieren


Durch die abgeflachte Form der Welle ist das Spiel zwar begrenzt (die Scharniere erreichen also irgendwann ein maximales Spiel und können nicht plötzlich ganz ausfallen (es sei denn der Reibungsteil der oberen Aufnahme versagt)).

Wenn die Teile also entsprechend verschlissen sind kann man diese ohne, bzw. mit geringem Kraftaufwand voneinander trennen.

Behebung des Spiels durch Kleben der Scharniere

Ich hab diese nun mit Bremsenreiniger gesäubert (besonder wichtig: an der Welle nur den abgeflachten Teil säubern, sonst wird das Scharnier schwergängig und die typischen Probleme wie ausreißen aus den Schrauben treten auf).

Anschließend habe ich JB-Weld angerührt (man brauch wirklich nur eine Kleinstmenge) und dieses mit einem Zahnstocher in die untere Aufnahme geschmiert.

Ich nehme dafür JB-Weld weil dies metallähnliche Eigenschaften bekommt sobald es ausgehärtet ist (relativ hohe Zähigkeit, Zug- und Druckfestigkeit) und eine sehr gute spaltfüllende Wirkung hat (zieht sich kaum zusammen beim aushärten). Daher ist es ideal um die Welle in die untere Aufnahme zu kleben.


Der überschüssige Kleber tritt dann auf der anderen Seite wieder aus und kann zu einem Pilz umgeformt werden so dass zusätzliche Kontaktfläche entsteht.


Wichtig ist beim Kleben, dass man unter allen Umständen verhindert dass Kleber auf den Reibungsteil oder andere als den Abgeflachten Teil der Welle kommt! Außerdem sollte man darauf achten dass man auch sicher das rechte Oberteil in das rechte Unterteil klebt, hierzu sind diese (zumindest beim R60) eindeutig beschriftet.


Sobald der Kleber ausgehärtet ist (ich lasse die Teile immer 24h auf der Heizung liegen) kann man sein Thinkpad wieder zusammenbauen und das Spiel sollte für eine sehr lange Zeit beseitigt sein (damit wieder Spiel entsteht müsste ja irgendwie der Kleber in den Zwischenräumen komprimiert oder verdrängt werden was praktisch unmöglich ist). Der Kleber erfüllt hier also nur indirekt seine Wirkung als Kleber, der Hauptzweck ist hierbei nämlich das auffüllen des Spaltes, denn die Verpressung ist nicht 100% formschlüssig.

möglicher Ansatz für das Beheben von zu leichtgängigen Scharnieren

Zu guterletzt sollte sich also auch das Problem von komplett versagenden Scharnieren leicht beseitigen lassen (gebrochene oder abgerissene Scharniere natürlich außen vor). Und zwar muss hier die Reibung wieder erhöht werden, man trennt also das Oberteil von der Welle, biegt den Reibungserzeugenden Teil minimal nach und presst die Welle wieder ein.

In welcher Stellung man dabei die Welle wieder einpresst spielt keine Rolle, da die Oberteile sich im nicht verbauten Zustand sowieso um 360° um die Welle drehen können, eine künstliche Begrenzung ist also nicht vorhanden.

nicht reparierbare Scharniere

T400

Aufbau wie folgt:

  • Untere Aufnahme
  • Bolzen
  • obere Aufnahme mit Reibungserzeugern (in geschlossenem Gehäuse)

Wobei hierbei das Spiel im Reibungserzeuger entsteht und nicht in der Verpressung des Bolzens!


Video zur Veranschaulichung des Spiels im Scharnier des T400


Anscheinend hat Lenovo bei der Verpressung des Bolzens im Vergleich zu denen der Vorgänger nachgearbeitet, der sitzt Bombenfest und ich bekomme ihn nicht demontiert.

Doch nun zum Knackpunkt, dem Reibungserzeuger. Diesen habe ich demontiert, er besteht außen aus diesem Gehäuse:


Und den darin sitzenden 11 kleinen gestanzten Plättchen:



Diese Stanzteile werden wohl bei der Produktion in die Nut des Gehäuses gepresst, gefettet und anschließend wird das Gehäuse verstemmt (wie auf dem obigen Bild gut zu sehen ist musste ich die Verstemmung wegfräsen um den Reibungserzeuger zu öffnen).

Nun zum Verständnis ein kleiner Exkurs in die Welt der Stanzteile: Stanzteile werden hergestellt indem ein Blech zwischen Stempel und Matritze gelegt wird, der Stempel fährt durch das Blech, in die Matritze und "schneidet" dabei glatt das Blech bis zu einer gewissen Stelle an der der restliche tragende Querschnitt so gering ist, dass der Rest einfach abreißt (ich hab das mal versucht in einer kleinen Grafik zu verdeutlichen).



Diese scharfen Kanten werden zwar in der Regel durch Trommelschleifen verrundet, ganz entfernt werden sie normalerweise aber nie, da sie entweder nicht stören, oder (wie hier) eine Funktion erfüllen. Der tragende Teil Innen ist in diesem Fall die Schnittkante, außen jedoch der Abbruch! D.h. der Bolzen läuft in der glatten Schnittkante (mit Untermaß zum Bolzen um Reibung zu erzeugen) und wird somit sicher geführt, die Plättchen selbst jedoch halten nur dadurch im Gehäuse des Reibungserzeugers, dass der Abbruch außen Übermaß hat und diese Plättchen in die Nut des Gehäuses gepresst werden.

Wie wirkt sich nun Verschleiß auf unser Stanzteil aus? Dadurch dass innen die Schnittkante trägt wird bei Verschleiß der tragende Querschnitt größer und der Verschleiß reduziert sich ein wenig selbstständig, auch wenn die Vorspannung im Scharnier nach und nach ein wenig nach lässt entsteht kein Spiel. Außen jedoch, verschleißt der stehen gebliebene Abbruch! Hier entwickelt sich nach und nach Spiel, da hier keine, bzw. nur minimale Vorspannung existiert, ist diese erst mal weg und das Scharnier hat ein wenig Spiel, wird es schnell mehr und mehr bis irgendwann ein Bruch der Stanzteile oder der Nut durch die permanenten ruckartigen Lastwechsel auftritt.

Wenn man sich das Bild des Stanzteils genau anschaut sieht man was ich meine, innen steht die glatte Schnittfläche hervor (1) und stellt den Kontakt zum Bolzen her, außen ist der Abbruch bereits vollständig verschlissen (2).



Auf der Welle selbst sieht man auch schön die Laufspuren der einzelnen Plättchen:



Wie ließe sich das ganze nun theoretisch reparieren? In dem man die Nut mit JB-Weld füllt und anschließend die Plättchen wieder einführt. Dies ist allerdings mit einigen Schwierigkeiten verbunden:

  1. muss zur Demontage die Verstemmung weggefräst werden
  2. lässt sich kaum Vermeiden dass dabei Kleber an Stellen gelangt wo er nicht hin gehört
  3. lässt sich beim rechten Scharnier die Verstemmung nicht so einfach wegfräsen, da hier die Anbindung des Displays im Weg ist, da diese ebenfalls verstemmt ist müsste diese aufgebohrt werden und wäre danach kaum wieder sicher zu befestigen

Von daher bin ich der Meinung dass eine Reparatur der T400 Scharnier konstruktionsbedingt so kompliziert wäre dass diese sich nicht lohnt. Die Chancen dabei das Scharnier endgültig unbrauchbar zu machen sind extrem hoch.

Tut mir leid dass ich dafür nur mit einer theoretischen Lösung aufkommen kann aber die Lenovo Ingenieure haben da mal wieder ganze Arbeit geleistet es so schwer wie irgend möglich zu machen

Zum Abschluss möchte ich noch Deufel danken für das zur Verfügung stellen der T400 Scharniere.